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Wie die meisten vielleicht wissen, bin ich nicht gläubig. Ich gehöre keiner Religionsgemeinschaft an, wurde nie getauft, und habe keine Konfession. Ich bin ein Gottloser, ein Ungläubiger, ein Heide. Am ehesten könnte man mich als Agnostiker mit Hang zum Atheismus bezeichnen – jedwede Form von Gnosis blieb mir bis jetzt verwehrt.
Leider sieht das Einwohnermeldeamt das anders. Das Einwohnermeldeamt ist der Meinung, ich wäre evangelisch.
Dieser Fehler ist mir in den letzten Jahren nie wirklich bewusst gewesen – die zwei Buchstaben “ev” auf der Lohnsteuerkarte habe ich geflissentlich ignoriert. Wenn ich danach gefragt wurde, habe ich wahrheitsgemäß geantwortet, dass ich konfessionslos sei. Bis zu dem Zeitpunkt, als zum ersten Mal das Wort “Kirchensteuer” auf meiner Lohnabrechnung auftauchte und ich mich gezwungen sah, etwas gegen diesen Meldefehler zu unternehmen. Und damit nahm die Sache ihren Lauf…
Ich habe mich natürlich erst im Internet informiert, wer denn für Kirchenaustritte überhaupt zuständig ist. Ein Kirchenaustritt muss in Deutschland gerichtlich bestätigt werden; in Bonn ist das das Amtsgericht. Normalerweise ist das eine Sache von ein paar Minuten und ist (bislang noch) kostenlos. Leider konnte ich der Dame auf dem Amtsgericht auf die Frage nach dem Taufort keine befriedigende Antwort geben – ich bin nie getauft worden, kann also auch keinen Taufort angeben. Folglich kann ich auch nicht aus der Kirche austreten: Wer nie in der Kirche war, kann auch nicht austreten. Sie schickte mich also auf das Einwohnermeldeamt, da das ja wohl ein Meldefehler sei.
Ein erster Termin auf dem Einwohnermeldeamt bestätigte mir, dass ich dort als evangelisch gemeldet bin. Diese Angaben wurden allerdings bei meinem Umzug nach Bonn von der alten Gemeinde übernommen, deshalb seien sie in Bonn nicht zu ändern. Ich müsste deshalb den Meldefehler bei meiner alten Gemeinde korrigieren lassen.
Dieser Schritt war erstaunlich einfach zu erledigen – ich komme aus einer sehr kleinen Gemeinde, wo eigentlich jeder jeden kennt. Deshalb genügte ein Anruf beim dortigen Einwohnermeldeamt, und ein paar Tage später hielt ich eine Meldebestätigung in der Hand, dass ich als konfessionslos gemeldet sei. (Mit Nebenwohnsitz, den ich dort immer noch habe.)
Mit diesem Dokument bin ich wieder in Bonn zum Einwohnermeldeamt. Nun wurde es interessant.
Ich hatte mich in Bonn nach bestem Wissen und Gewissen als konfessionslos angemeldet. Nun hatte das Einwohnermeldeamt Bonn bei einem Datenabgleich zwischen den Gemeinden von meiner alten Gemeinde die Mitteilung bekommen, dass ich dort als evangelisch gemeldet sei – und diese Angaben prompt (und ohne Nachricht an mich) übernommen. Jetzt sah sich das Amt in Bonn nicht in der Lage, diesen Meldefehler zu korrigieren: Die alte Gemeinde hatte mich ja einmal als evangelisch gemeldet und einmal als konfessionslos, das konnte also so nicht richtig sein.
Ich bräuchte also einen Nachweis, dass ich nicht evangelisch bin. So etwas nennt man auch einen Negativbeweis. Die Schwierigkeit von Negativbeweisen ist hinlänglich bekannt.
Diesen Nachweis müsste (zumindest nach Aussage des Einwohnermeldeamtes) die evangelische Kirche erbringen. Ein Telefonat mit dem evangelischen Kirchengemeindeverband Bonn brachte jedoch zutage, dass die evangelische Kirche sich weigert, derartige Nachweise zu erbringen: Da es anscheinend kein zentrales Taufregister gibt, sondern nur lokale Taufbücher, sieht sich er Gemeindeverband nicht in der Lage, zu bestätigen, dass ich nicht Mitglied der evangelischen Kirche bin. Schliesslich könnte ich ja irgendwo anders getauft worden sein. Die Daten wiederum bekommt die Kirchengemeinde über das Einwohnermeldeamt.
Ich befinde mich also in einer Art bürokratischem Vakuum.
Über das Amtsgericht kann ich nicht austreten, da ich nie in die Kirche eingetreten bin. Das Einwohnermeldeamt lässt mich nicht austreten, da ich nicht dort eingetreten bin. Das Einwohnermeldeamt akzeptiert allerdings auch nicht die Bestätigung meiner alten Gemeinde, dass ein Meldefehler vorlag. Und die evangelische Kirche weigert sich, zu bestätigen, dass ich nicht Mitglied der Kirche bin.
Man könnte sich jetzt auf den Standpunkt stellen, dass die evangelische Kirche den Nachweis erbringen muss, dass ich Kirchenmitglied bin. Schliesslich fordert sie Kirchensteuer von mir ein, müsste also den Nachweis erbringen, dass diese Forderungen rechtens sind. Alles andere wäre im Grunde genommen eine Beweislastumkehr. Und die ist nur in Ausnahmefällen zulässig.
Leider sind Bürokraten für derartige Argumente nicht empfänglich. Ein Bürokrat handelt nicht logisch oder verstandesgemäß, sondern nach Anweisung und Dienstvorschriften. Und nun ist ein Zustand eingetreten, in dem sich die einzelnen Dienstvorschriften in einer Art bürokratischen Deadlock ineinander verhakt haben. Keiner kann etwas tun, ohne dass vorher einer der anderen etwas getan hat.
Was also tun?
Vielleicht wäre es am Einfachsten, mich taufen zu lassen und direkt wieder auszutreten. Vorausgesetzt, man verlangt von mir dann nicht den Nachweis, dass ich nicht schon getauft bin…